Kann ich die Top 5 Probleme im Unternehmen mit dem Wundermittel Agilität lösen?

Von Björn HergesLCT Herges
Consultant, Coach & Trainer | Head of LCT Prime

In meinen Consulting-Projekten und Seminaren kursieren immer wieder die Schlagworte Scrum, flache Hierarchien und hybrides Projektmanagement; dicht gefolgt von Aussagen wie: „Wir müssen schneller und agiler arbeiten.“  

Idealer Zeitpunkt für mich direkt die Notstopp-Taste zu drücken. Bevor ich die gewünschte, alles zum Besseren verändernde High Performance Projektmanagement-Methode wähle und schon die Lizenzkosten einer genau darauf abgestimmten Software vergleiche, rate ich dringend dazu sich genau die IST-Situation zu betrachten.

Zu den Top 5 der am häufigsten genannten Probleme in den Unternehmen zählen dabei immer wieder:

  1. Kommunikation (falsch, zu wenig, zu viel, abteilungsübergreifend findet sie nicht statt)
  2. Ich habe keine Zeit (zu viele Projekte oder Aufgaben…neben meinen anderen Tätigkeiten)
  3. Priorisierung (fehlend oder sich ständig ändern)
  4. Fertigstellungstermin (Projekte werden spät oder gar nicht fertiggestellt)
  5. Keine Transparenz sowie unklare Prozesse & Verantwortlichkeiten (Mythos: „Agilität benötigt weniger Führung“)

Bevor ich also zum agilen Sprint ansetze wie einst Usain Bolt, muss ich für mich zunächst priorisieren, welche dieser genannten Themen Vorrang genießen sollen. Anschließend steige ich in die Ursachenanalyse ein zum Beispiel mit der 5-Why-Methode. Dabei betrachte ich abschließend, welche Lösungen mir den größten Mehrwert bei geringstem Invest bringen werden. Mit diesen Ergebnissen werde ich ein klareres Bild darüber haben, welche Methodik mir die meisten Vorteile bei den geringsten Nebenwirkungen in Form von Changearbeit und Strukturveränderungen bieten wird. Ist es wirklich agil? Oder doch der klassische Ansatz über die Betrachtung der kritischen Kette? Oder vielleicht ein hybrider Ansatz? Viel zu oft sehe ich leider, die völlig menschliche und legitime Handlungsweise, sich direkt auf die Lösung und das gesuchte Wundermittel zu stürzen, anstatt das eigentliche Ziel vorab zu eruieren mit den abgeleiteten Maßnahmen aus der Ursachenanalyse. Zu oft wird vergessen sich die Frage zu stellen: was bedeutet denn agiles Arbeiten? Was sind die Konsequenzen daraus; welche Vor- und Nachteile birgt es?

Hinzu kommt das Phänomen der Methodenverliebtheit. Häufig wird der Versuch gestartet sich durch das stringente Festklammern an einer Methode die gewünschten Ergebnisse zu erzielen, wenngleich es der falsch gewählte Weg ist; der Pfad zum Teufelskreis. Hier werden Disziplin und Prozesssicherheit verwechselt mit der benötigten Flexibilität in der Auswahl der richtigen Methode. Ist denn jedes Projekt gleich? Meine Jogginghose ist doch auch nicht mein persönlicher modischer Allrounder und kann sie zu allen Anlässen anziehen. Auch wenn ich noch so gerne daran festhalten möchte, um allen auf der Arbeit damit zu zeigen, dass ich mich dort sehr wohl fühle. So dürfte es doch spätestens beim Geschäftstermin zu leichten Irritationen führen. Mein präferierter Ansatz ist daher in den meisten Fällen ein hybrides Projektmanagement-Konzept, welches

a) die für mein Unternehmen / meine Abteilung passenden Werkzeuge sinnvoll kombiniert und damit

b) die oben genannten Top 5 Probleme auflösen wird und

c) sich hoher Akzeptanz erfreut aufgrund erfolgreicher Projektergebnisse und geringerer Komplexität.

Fazit: jedes Projekt und Unternehmen ist einzigartig und bedarf mitunter auch einer angepassten Strategie und Methode. Alles auf die eine Karte „Agil“ zu setzen scheint mir in vielen Fällen sehr gewagt, da es einfach nicht für jeden Projekttyp geeignet ist. Wir können mit agilem Vorgehen tolle Ergebnisse erzielen; ich selbst bin ein großer Fan davon. Doch es wird oftmals auch in Projekten eingesetzt, welche eine ganz andere Herangehensweise benötigen; hier fehlt es dann an der Flexibilität. Hinzu kommt, dass in allen Projekten immer noch Menschen arbeiten und auch Dritte involviert sind. Diese müssen ebenfalls geschult sein auf die entsprechende Methodik und diese auch als zielführend akzeptieren und einsetzen wollen. Die beste Methodik; das beste Software-Tool wird Dir nichts bringen, wenn die dahinterliegenden Prozesse vorab nicht klar analysiert, optimiert und definiert sind. Am Ende kommt es immer auf das Ergebnis an. Beim Kauf einer Kaffeemaschine interessiert es niemanden, ob die Planungen zur Maschine agil, hybrid oder klassisch durchgeführt wurden. Es zählt das Ergebnis; es zählt der Kaffeegenuss. Die jeweiligen Methoden und Werkzeuge sollten daher mit Bedacht gewählt, zielführend kombiniert und auch kommuniziert werden. Es gibt nicht DIE perfekte Methode; es gibt nicht DAS Wundermittel. In diesem Sinne: viel Spaß und Erfolg bei den anstehenden Projekten und vor allem dem Einsatz der richtigen Methode.